Die Rede bei der Abschlussfeier




Da wir weder ein Abi-Motto noch eine Abi-Zeitung hatten, könnt ihr hier all die Anekdoten über Schüler und Lehrer erzählen, die sonst darin gestanden hätten...

Die Rede bei der Abschlussfeier

Beitragvon oskar » Mo 10. Nov 2008, 10:05

Liebe Eltern, Lehrer, Schüler,

bevor nun die Sprecher der Eltern und Lehrer darauf hinweisen, was ihnen am heutigen Tag besonders denkwürdig erscheint, möchte ich als Vertreter der Schülerschaft unseren Gedanken Ausdruck verleihen.

Als wir vor circa vier Jahren zum ersten Mal davon hörten, dass wir die Oberstufe in einem reformierten System durchlaufen sollten, waren wir zunächst doch sehr misstrauisch. Hieß es doch, die so genannte MSS solle

    - die Arbeitsweise der gymnasialen Oberstufe stärker als bisher an die der wissenschaftlichen Hochschulen angleichen,
    - Methodenbewusstsein und das Einüben von Arbeitstechniken stärker betonen,
    - dem Oberstufenschüler eine neue Stellung in der Schule geben
    - usw., usw.


Das alles war für uns ein Buch mit sieben Siegeln. Viel größere Bedenken hatten wir dagegen, dass aus den drei Klassen 10a, b und c eine große Gruppe gemacht werden sollte. „Die“ aus den anderen beiden Zehnern waren doch alles „komische Typen“.

Nichtsdestotrotz war es dann im Sommer 75 soweit: Die MSS öffnete ihre Pforten, und lernbegierig strömten wir nicht mehr in Klassenzimmer, sondern in Kurssäle. Des öfteren konnte man in der Anfangszeit verzweifelte MSS-Schüler durch Treppenhäuser und über Schulhöfe irren sehen, die ihren Kurs suchten.

Kaum hatten sich diese Zustände wieder normalisiert, da wartete schon die nächste Überraschung auf uns: Irgendjemand hatte ausgerechnet, dass jeder Schüler durchschnittlich an jedem zweiten Tag eine benotete Leistung erbringen musste. Panik ergriff uns, aber auch dagegen gab es ein Mittel: „Nicht schlimm“, sagten einige, „dann fehlen wir eben jeden zweiten Tag.“

Schon bald waren die Entschuldigungsformulare vergriffen und wurden zu Schwarzmarktpreisen im Bahnhof gehandelt – im Bahnhof, der sich übrigens während unserer Oberstufenzeit mehrfach neu einrichtete. Schließlich aber kehrte auch nach dieser letzten Panik der Schulalltag ein in unserer MSS, was übrigens nicht, wie bisher angenommen, „Mainzer Stumpf-Sinn“ sondern „Mainzer Studienstufe“ bedeutete.

Heute nun treffen wir uns, um das Ende unserer Schulzeit zu feiern, und viele unter den Schülern und vielleicht auch einige Lehrer werden wohl zugeben, dass es trotz manchen Ärgers meistens sehr lustig zugegangen ist.

Noch ein letztes Wort an unsere Lehrer: Wenn wir auch wissen, dass Sie uns nur schweren Herzens und mit Tränen in den Augen gehen lassen, so hoffen wir doch, dass die jetzigen Jahrgänge 11 und 12 die Erinnerung an uns wach halten durch etwas, was von uns kreiert wurde: den so genannten
RATTENSCHREI!

Ahrweiler, 8. Juni 1978
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